Arbeitsrecht: Reform des AÜG: Unternehmen mit Leiharbeitern sollten Verträge überprüfen und Fristenkontrolle einrichten

Seit dem 01.04.2017 gilt das reformierte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Unternehmen, die Leiharbeiter beschäftigen, sollten die Risiken und Fristen bereits jetzt prüfen, um unerwünschte arbeitsrechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Einige Neuregelungen sind ohne Übergangsfrist in Kraft getreten. Der Fachausschuss Compliance weist Sie hier auf die wichtigsten Änderungen hin:

  • Abgrenzung zwischen Werkverträgen und Leihverhältnissen wird gesetzlich fixiert
    Wann ein Werkvertrag und wann eine Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, ist jetzt im Gesetz geregelt – hier wurden die Merkmale, die die Arbeitsgerichte entwickelt haben, jetzt vom Gesetzgeber übernommen.
  • Neue Überlassungshöchstdauer
    Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer können künftig nur noch bis zu einer Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten bei einem Entleiher eingesetzt werden. Eine erneute Überlassung durch die gleiche oder eine andere Zeitarbeitsfirma ist nur möglich, wenn die Beschäftigung für mindestens drei Monate unterbrochen wurde. In einem Tarifvertrag der Einsatzbranche oder auf Grund eines solchen Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung können abweichende Regelungen vereinbart werden. In tarifgebundenen Unternehmen sind damit unter zusätzlichen Voraussetzungen längere Einsatzzeiten von über 18 Monaten möglich. Eine Beschäftigung von Leiharbeitnehmern über die Höchstdauer hinweg ist bei einem Wechsel der Arbeitnehmer weiter möglich.
    Checkliste: Unternehmen müssen die Überlassungszeiten überwachen. Die Berechnung der Höchstdauer für die Beschäftigung beginnt am 01.04.2017. Das bedeutet, dass frühestens am 01.10.2018 die Höchstdauer überschritten sein kann.
  • Equal Pay spätestens nach neun Monaten
    Spätestens nach neun Monaten müssen Leiharbeitnehmer bei der Vergütung Stammbeschäftigten gleichgestellt werden. Wenn in der Einsatzbranche Branchenzuschlagstarife gelten, gilt erst nach 15 Monaten zwingendes „Equal Pay“.
    Checkliste: Weil Zeiten vor dem 01.04.2017 nicht berücksichtigt werden, kann frühestens am 01.02.2018 der Anspruch entstehen.
  • Neue Formvorschriften für Leiharbeitsverhältnisse
    Leiharbeitsverhältnisse müssen in dem Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher vor der Überlassung eindeutig als Arbeitnehmerüberlassung bezeichnet werden und den/die Arbeitnehmer konkret benennen. Werden diese Formvorschriften nicht eingehalten, ist der Arbeitsvertrag des Leiharbeitnehmers unwirksam. Außerdem müssen die Arbeitnehmer vom Verleiher informiert werden, dass es sich um Leiharbeit handelt.
    Checkliste: Wegen der gravierenden Konsequenzen (Bußgelder und Direktbeschäftigung, nächste Absätze), für die keine Übergangsfrist gilt, sollten alle Leiharbeitsverträge zeitnah überprüft werden.
  • Neue Risiken, bei denen der Entleiher zum Arbeitgeber wird
    Bislang werden Entleiher nur dann zum Arbeitgeber und müssen die ausgeliehenen Mitarbeiter zu gleichen Konditionen wie eigene Mitarbeiter weiter beschäftigen, wenn der Verleiher keine Erlaubnis für die Überlassung hatte. Ein neues gravierendes Risiko für Entleiher - es gibt mehrere neue Konstellationen, in denen der Entleiher zum Arbeitgeber des entliehenen Mitarbeiters wird:
    Zeitüberschreitung: Wird der Arbeitnehmer über die Höchstdauer hinaus weiter verliehen, wandelt sich das Leiharbeitsverhältnis automatisch in ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher um.
    Formmängel: Zum anderen führen seit April 2017 Formmängel (voriger Absatz) in dem Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher dazu, dass der Entleiher automatisch und ggf. rückwirkend zum Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers wird.
    Kettenverleih: Das Weiterverleihen von Arbeitnehmern durch Unternehmen, die selbst keinen Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer haben, ist ab sofort verboten und führt unter weiteren Voraussetzungen ebenfalls dazu, dass ein Arbeitsvertrag mit dem Entleiher fingiert wird.
    Checkliste: Beim Einschalten von Subunternehmer kann ein unbeabsichtigter Kettenverleih gegeben sein.
  • Vorratserlaubnis hilft nicht mehr
    Außerdem wird nach neuem Recht auch bei einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung (z.B. Deklarierung als Dienst- oder Werkvertrag) ein Arbeitsverhältnis zum entleihenden Betrieb fingiert. Diese Rechtsfolge kann mit einer vorsorglich beantragten Überlassungserlaubnis (Vorratserlaubnis) nicht mehr abgewehrt werden.
    Checkliste: Weil diese Regelung ohne Übergangsfrist in Kraft getreten ist, sollten Unternehmen bei Verdacht auf eine verdeckte Überlassung sofort tätig werden.
  • Fingiertes Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher: Neues Wahlrecht des Arbeitnehmers
    In dieser Situation hat der Arbeitnehmer nach neuem Recht die Wahl, ob er im Betrieb des Entleihers bleibt oder an seinem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält. Das kann für ihn zum Beispiel dann sinnvoll sein, wenn bei seinem neuen Arbeitgeber das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar ist, wohl aber bei der Zeitarbeitsfirma, oder falls sich der entleihende Betrieb in Schieflage befindet. Für die so genannte Festhaltenserklärung des Leiharbeitnehmers gelten neue, strenge Formvorschriften und eine einmonatige Frist. 
  • Leiharbeitnehmer zählen für Schwellenwerte mit
    Entsprechend der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts werden Leiharbeitnehmer jetzt bei Schwellenwerten im Betriebsverfassungsrecht grundsätzlich mitgezählt, also zum Beispiel, wenn es um die Betriebsratsfähigkeit eines Betriebes geht.
  • Info-Pflichten gegenüber und Einsichtsrecht des Betriebsrats
    Der Betriebsrat muss nach neuem Recht über Umfang, Einsatzort und Aufgaben von Zeitarbeitnehmern unterrichtet werden und hat ein Einsichtsrecht in die Überlassungsverträge.
  • Neue Bußgeldvorschriften
    Sowohl für den Verleiher als auch für den entleihenden Betrieb können Verstöße gegen Formvorschriften bei der Überlassung, das „Equal Pay“-Gebot, eine verdeckte Überlassung oder eine zu lange Überlassung zu hohen Bußgeldern führen.
  • Arbeitskampf
    Leiharbeitnehmer dürfen nicht mehr eingesetzt werden, um Tätigkeiten von streikenden Stammarbeitsnehmern auszuführen.